Volltext: Almanach der Freien Zeitung (1918)

Handlungen der Krone, die auswärtige Politik und die 
Armee 1 ? Bah, warum sollte man dem guten Michel diese 
Kinderklapp er nicht lassen? Soviel hätten die Junker 
im Laufe eines Jahrhunderts immerhin gelernt, daß 
sie begriffen, wie wenig es im Grunde auf Form und 
Buchstabp der Verfassung ankam, sobald der Geist 
und die Anwendung dieser Verfassung immer in ihrem 
Sinne orientiert waren. 
Ein anderes Sohreokensgespenst für die Junker 
war die Sozialdemokratie in ihren Anfängen. Nach 
dem Bismarck vergeblich versucht hatte, die junge 
deutsche Arbeiterbewegung in nationalistische Bahnen 
zu lenken, ging er ihr mit Ausnahmegesetzen und Be 
drückungen aller Art zuleibe. Aber zwölf Jahre So 
zialistengesetz hatten nur zur Stärkung der „Umsturz“- 
idee beigetragen, und die Junker zitterten insgeheim 
vor dem ungeschlachten Riesen der organisierten Ar 
beit, der so flegelhaft die Glieder zu recken begann. 
Diese Furcht dauerte nicht lange, und Wilhelm II. 
hatte unrecht, so viele Redespiele gegen die Söhne der 
Marx und Engels zu schleudern. Denn je weiter sich 
die deutsche Sozialdemokratie entwickelte, um so weni 
ger betonte sie die verfassungsrechtliche und allgemein 
politische Emanzipation des Staatsbürgertums, um so 
mehr schrie sie dagegen nach wirtschaftlichen Re 
formen und Gleichheiten. Die Junker begannen einzm 
sehen, daß diese Sozialdemokratie, die das politische 
Wohl der Staatsbürger abhängig machte vom wirt 
schaftlichen Wohl der Arbeiterklasse, eigentlich nicht 
ihr Feind, sondern mehr der Feind der modernen Groß 
industrie und Kapitals Wirtschaft war. Warum hätten 
sich die Junker nicht auch hier allmählich an die revo 
lutionäre Phrase derer um Scheidemann gewöhnen 
sollen? Es ging ja nicht gegen den feudal-agrarischen 
Osten, sondern zunächst einmal gegen den industriellen 
Westen. Wenn ihnen die vielen Hiebe, die die Sozial 
demokratie da und dort gegen das Ostelbiertum aus 
zuteilen wußte, auch unangenehm waren uüd Besorg 
nisse einflößten: ihre verfassungsrechtliche, militä 
rische und allgemeine politische Machtstellung in 
Preußen-Deutschland hat seit Aufhebung des Sozia
	        
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